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Fridays for Future Wilhelmshaven/Friesland

Hafenstadt Jever?

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Auf dem Bild sieht man einen Anker, der noch heute im Bereich des ehemaligen Hafens in Jever liegt
Bild: Jonas Evers

Im Februar 2024 streikten wir zum ersten Mal seit langem wieder in Jever. Vorne mit dabei: Unser Banner „Not Again: Hafenstadt Jever“ - eine Anspielung darauf, dass Jever in der Geschichte einmal als blühende Hafenstadt bekannt war. Kaum vorstellbar, denn es fließt kaum ein Fluss durch Jever und die Nordsee ist eine Autofahrt entfernt. Doch was ist mit dem jeverschen Hafen passiert? Wo ist er heute? Und warum sollten wir aus der Geschichte lernen? 

pm lies jever

Bild: Moritz Junge

In der mehr als 2000-jährigen Geschichte Jevers spielte die Beziehung zu Wasser, Regen, Sturm und Meer die entscheidende Rolle in der Zivilisationsentwicklung. Von der Besiedlung der Chauken, die vielleicht Seeräuber waren um das Jahr 0, über die bekannte Hafenstadt Jever um 1800, bis zu den mächtigen Deichen, die uns heute noch vor dem „blanken Hans“, also der Nordsee, schützen. Dass Jever heute keinen Hafen und direkten Zugang zum Meer hat ist, historisch gesehen, eine relativ neue Entwicklung. 

Die Entwicklung des Verlaufs der Nordseeküste ist durch Entwässerung, Deichbau und Sturmfluten geprägt. Nennenswert für die Entstehung des Jadebusens sind die Cosmas- und Damianflut von 1509, die den Beginn der Ausformung des Jadebusens markiert haben, sowie die Antoniflut von 1511, nach der der Jadebusen etwa seine heutige Form erreicht hat. Bis ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus waren Erklärungen für die Sturmfluten metaphysisch und religiös. Kam eine Flut, hatte man es sich wohl mit den Göttern verspielt und deren Zorn auf sich gezogen. Eine Karte aus dem Schlossmuseum in Jever stellt das Ausmaß einer Flut von 1717 dar - und liefert die passende Symbolik direkt mit. 

Diese Naturkatastrophen waren nicht bloß ein Stoff für Geschichtsbücher, sondern rissen regelmäßig Menschen in den Tod. Bei dieser Flut wohl c.a. 9000 an der Nordseeküste und nochmal 2500 in den Niederlanden. 

karte historisch sturmfluten

Karte aus dem Schlossmuseum Jever

Auch in Jever herrschte zu dieser Zeit Angst vor weiteren Sturmfluten. Die längste Zeit waren Deiche unvollständig oder brüchig und das Marschland in Herbst und Winter oft überflutet. Zur Entwässerung diente ein Netzwerk aus Kanälen, sogenannten Tiefs. Die meisten davon waren jedoch zu schmal und flach, um von Schiffen befahren zu werden. Eine Ausnahme bildete das Hookstief, das über Jahrhunderte Jever über Hooksiel mit der Nordsee verband. Über den Hafen, der dort lag, wo sich heute die Schlachte befindet, wurde internationale Schifffahrt betrieben, wie Berichte aus dem Jeverschen Wochenblatt nahelegen: „Der Schiffer Albert Jacob Reents liegt jetzt mit seinem Schiffe in Amsterdam, um Stückgüter nach Horumersiel, Hooksiel und Inhausersiel zu laden. […]“ (Jeversches Wochenblatt vom 1. Juni 1818). 

 

Üblich war auf dem Hookstief der sog. „Treidelbetrieb“, in dem die Schiffe und Kähne mit langen Tauen vom Ufer aus das Tief entlang gezogen wurden. Stand der Wind richtig, konnte auch gesegelt werden. Der Hafen in Jever hatte nicht bloß zur Folge, dass nun Waren aus der Ferne angeboten werden konnten, sondern hat die Stadt auch stadtplanerisch und wirtschaftlich geprägt. Um den Hafen herum siedelten sich Wirtschaften und große Handelshäuser an (die wohl den Vorfahren von Friedrich Schlosser gehört haben sollen). Dadurch nahm die damalige Vorstadt eine erhöhte wirtschaftliche Bedeutung ein. „In der inneren Stadt nahmen die Beamten die erste Stellung ein, aber hier saß das Geld“, schreibt C. Woebken 1919 (nach Fissen (1981)). 

Doch über die Jahre wurden die Bedingungen für die Schifffahrt zunehmend schlechter. Der Deichbau verbesserte sich und die Sturmfluten (oder zumindest ihre Tödlichkeit) sanken, das Hookstief verschlickte jedoch. Außerdem wurde Mitte des 19. Jahrhunderts die erste befahrbare Straße nach Hooksiel fertig gestellt, wodurch der Warenverkehr auf dem Schiff drastisch sank. 1868 beschloss man, den jeverschen Hafen endgültig aufzugeben. Durch das Graben des Dwarfstief wurde das Hookstief umgeleitet und die Schlachte trockengelegt. 

Die Schließung des Hafens markiert die endgültige Entkopplung Jevers von der Nordsee. Seither gibt es keinen direkten Weg mehr zum Meer. Wer heute in Jever lebt, macht sich keine Gedanken mehr um Sturmfluten, Kanalsysteme und Naturkatastrophen. Ein letztes Relikt sind die vielen Gräben, die zwischen den Feldern und Grundstücken Jevers verlaufen und sich nur bei starkem Regen füllen. Doch der Schein, den „blanken Hans“ endgültig bezwungen zu haben, trügt. Die Geschichte lehrt: Jever ist eine Klimastadt. Ihr Schicksal ist an das der Nordsee gebunden. 

Schon jetzt fließen Millionen in Küstenschutzmaßnamen, denn der Anstieg des Meeresspiegels macht Sturmfluten wieder gefährlicher - und wahrscheinlicher. Doch durch die Klimakrise werden auch andere Extremwetterereignisse wahrscheinlicher, wie starker Regen. Jetzt kommt es wieder auf die Tiefs an, die Wassermassen aus Jever abzuführen und das Land trocken zu legen. Wir schließen uns der Warnung der Museumsleiterin des Schlossmuseums Jever, Prof. Dr. Antje Sander, an: 

[…] Diese eindrücklichen Berichte lassen erahnen, welche Macht das Meer hat. Für uns Menschen an der Küste hat die Klimakrise, für die uns hier in den kommenden Hundert Jahren steigende Pegelstände von bis über 1 Metern prognostiziert werden, eine besondere Bedeutung. Es ist wichtig, das wir alle unsere Verantwortung für die kommenden Generationen wahrnehmen und endlich ins Handeln kommen […]. 

Literatur 

Fissen, K. (1981): Das alte Jever. C. L. Mettcker & Söhne. Jever.

Haussmann, B., Stromann, M. (1994): Jever. Eine friesische Stadt mit Geschichte. Soltau-Kurier-Norden. 

Lüken, S. (2023): Sturmfluten an der Nordsee. Deutsches Historisches Museum. https://www.dhm.de/blog/2023/08/16/sturmfluten-an-der-nordsee/. 

Sander, A. (2024): Das Gedenken an die Neujahrsflut 1854/55 und die Sturmflut vom 3. bis 5. Februar 1825. Schlossmuseum Jever. https://www.schlossmuseum.de/hinter-schloss-und-riegel/land-unter-am-jadebusen-blog/. 

Stadt Jever (o.J.): Schlachte. https://www.stadt-jever.de/portal/seiten/schlachte-903000471-20820.html. 

08. August 2025

Jonas Evers